Gute zwei Jahre ist es jetzt her, als die Welt noch heil war und der alltägliche Stau auf unserer guten alten Elbbrücke den gesamten Pirnaer Stadtverkehr lahmlegte. Doch das Allerheilmittel war schon zubereitet: schneller, als die Fördergelder fließen konnten, wurde mitten auf unserer geliebten Brücke eine Ampel installiert, welche den Verkehrsfluß beschleunigen sollte. Leider hatte man in der Aufregung ein paar Kleinigkeiten vergessen, so zum Beispiel die Tatsache, daß eine Ampel durch das Aufleuchten eines roten Lichtes Autos zum Anhalten zwingt, selbst wenn in der "grünen Richtung" keiner fährt. Und so standen wir staugeplagten Pirnaer in den nächsten Tagen däumchendrehend vor dieser niedlichen kleinen Ampel, warteten sehnsüchtig auf grünes Licht, wohl wissend, daß der Stau hinter uns immer länger wurde. Und mit Wehmut erinnerten wir uns an die Vergangenheit, als wir die armen Autos aus der Brückenstraße mit einer gönnerhaften Geste oder einem kurzen Aufblinken unserer Nebler einladen konnten, im großen Strom mitzuschwimmen (mal unter uns gesagt, war das nicht die Gelegenheit, von der geilen Tussi da in dem kleinen Japaner einen schmachtenden, dankbaren Blick, vielleicht sogar ein Lächeln zu erheischen?). Zwei Tage genossen wir in ganz Pirna den Ausblick auf das Nummernschild des Vordermannes, denn Auto "fahren" war unmöglich geworden. Doch man hatte ein Einsehen mit uns, und nach zwei Tagen wurde die hochgelobte Ampel wieder abgeschaltet, und der Alltagstrott kehrte wieder ein. Nein, die Ampel war keine Fehlentwicklung, der einzige Grund für die Abschaltung war, daß sich die Deutsche Bahn beschwerte, ihre Lokführer könnten das Ampellicht mit ihrem Signal verwechseln! Das durfte natürlich nicht sein, und die Stadt hatte ein Einsehen mit den Lokführern...
Da stand sie nun, unsere glorreiche Ampel, verhangen mit Tüchern (bösen Zungen zufolge soll sie darunter jahrelang rot, gelb und grün geleuchtet haben). Fast hatte man den Eindruck, sie wäre eine jener Investruinen, die der Bund der Steuerzahler in seinem jährlichen Bericht immer kritisiert. Aber, weit gefehlt! In Pirna werden keine Fehler gemacht. Man hatte halt weit vorausgedacht. Und so wurden in den nächsten Jahren die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die Ampel nun auch wirklich ihre Bestimmung erfüllen kann. Zunächst wollte die Deutsche Bahn nicht länger den Sündenbock für die abgestellte Ampel spielen und versetzte ihr Signal kurzerhand ein paar Meter weiter weg (Es sei wohl die Frage erlaubt, was das gekostet hat...). Fast wär die Ampel wieder eingeschaltet worden, doch erdreisteten sich einige tollkühne Autofahrer, vorbelastet durch zwei Tage Dauerstau, darauf hinzuweisen, daß die Ampel den Verkehr eher behindere als beschleunige. War die arme Ampel etwa doch eine Fehlkonstruktion? Nein, das durfte nicht sein. Zähneknirschend beschloß man, den Verkehr auf der Brücke zu teilen, damit unsere Ampel doch noch die ihr von der Straßenverkehrsordnung gegebene Bestimmung erfüllen könne. Und so entstand ein paar hundert Meter stromabwärts die neue Sachsenbrücke, pompös als "längste Straßenbrücke Sachsens" vermarktet. Also mal ganz ehrlich, seitdem macht Autofahren doch wieder richtig Spaß, oder? Und endlich waren auch die Voraussetzungen gegeben, damit unsere antike Brückenampel endlich unverhüllt ihre leuchtenden Farben unter Beweis stellen kann. - Mir ist da nur etwas unklar: Wenn jetzt soviel weniger Autos über die Brücke fahren, wofür brauch ich da noch die Ampel? Aber da denk ich sicher zu konservativ...
Heut hab ich sie zum ersten Mal live erlebt. Kam aus Copitz gen Pirna gebrettert, und ein freundliches grünes Licht lud mich zum Weiterfahren ein. Doch halt! Etwas drunter, rechts daneben, war ein rotes Licht zu sehen!!!!! "Im Zweifelsfall anhalten", erinnerte ich mich an meinen Fahrlehrer, und vorsichtig tastete ich mich an die rot-grün-leuchtende Ampel heran. Aus 10 Meter Entfernung (ich hatte inzwischen auf fast Schrittgeschwindigkeit heruntergebremst) war dann ein kleines Fahrrad in der roten Ampel zu erkennen, und als ich mich noch näher heranwagte, sah ich den kleinen nach links zeigenden Pfeil. Endlich fiel der Groschen - DU HAST GRÜN - und mit quietschenden Reifen versuchte ich, die durch das Bremsen verlorengegangene Zeit wieder wettzumachen. Ist eigentlich schon mal jemand auf den Gedanken gekommen, daß nicht nur Lokführer, sondern auch Autofahrer stutzig werden könnten, wenn sie rotes und grünes Licht zugleich sehen? Und, liebe Fahrradfahrer, ich will Euch nicht beleidigen, aber wenn Ihr seht, daß die Autos grün haben, kommt Ihr doch selber drauf, daß Ihr, wenn Ihr rüber auf die andere Seite wollt, zu warten habt, oder?
Und die Moral von der Geschicht? Ich wünsch Euch gute Fahrt, und laßt Euch nicht von dieser blöden Ampel ärgern...
Euer Söhnchen.